Teil 13

Schmids letztes Foto in Freiheit
Foto: wahrscheinlich Polizei

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Schmid war jetzt 23 Jahre alt und seit ein paar Tagen mit der 15-jährigen Diane Lynch verlobt, in ein paar Wochen wollten sie heiraten. Die Unschuld und die Natürlichkeit seiner fast kindlichen Verlobten hatten es Schmid angetan, sie beeindruckten ihn tief. Sie war endlich die Richgtige.

Er war das Gegenteil von unschuldig und natürlich.

Schmid sah mittlerweile aus wie ein Gespenst. Sein Gesicht bemalte er kreideweiss, der künstliche Leberfleck auf seiner Backe war Handteller groß, über der Nase trug er ein Pflaster – angeblich hatte sie ihm jemand in einem Boxkampf gebrochen. Sein Leben war ein großes Chaos. Er vögelte manchmal mehrmals am Tag, trank morgens schon Bier, war zu keiner Minute mehr nüchtern und legte sich mit jedem an, der ihm in die Quere kam. Sogar die Mafia war eines Tages hinter ihm her. Abends veranstaltete er Partys für Dutzende Gäste in seinem kleinen Haus, in das eigentlich nur 10 Leute passten.

In einem seltenen Moment von Klarheit versprach er Diane, ein guter Ehemann zu sein. Sie dürfe ihm keine Vorwürfe machen, er sei in seinem Leben einsam gewesen ohne sie. Diane hatte ihm keine Vorwürfe gemacht und verstand nicht, warum er sich rechtfertigte. Sie himmelte ihn an und konnte gar nicht genug von ihm kriegen.

Er war ihr Ein und Alles.

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Mit zunehmender Dauer der rund-um-die-Uhr-Bewachung veränderte sich Bruns. Er ass und trank nur noch selten und kümmerte sich nicht mehr um sein Äußeres. Er verlor alle sozialen Kontakte pöbelte stattdessen mit Darlenes Nachbarn, die von ihm verlangten, endlich zu verschwinden. Sie konnten seinen Anblick, seine zunehmende Verrohung nicht länger ertragen. Der einzige, der in den ständigen Streitigkeiten um Richie Bruns ruhig und gelassen blieb, war Darlenes Vater, Robert Lynch.

Nach eingehender Beschäftigung mit Bruns, hatte Lynch nämlich den Eindruck erlangt, dass Bruns zu keinem Leid in der Lage war. So tat er seine Obsession als Jungenstreich ab, und die würde Bruns sicher irgendwann selbst langweilen. Es gelang Lynch sogar, die Nachbarn zu beruhigen, vorübergehend zumindest. Denn irgendwann, schien es, als hätte Bruns die Schwelle zum Wahnsinn überschritten.

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Die alte Frau steht neben dem Jüngling. Sie setzt sich auf den anderen Stuhl. Die Küche ist nicht hell, das Licht einer Straßenlaterne wirft bizarre Schatten an die Wand. Die alte Frau schaut den jungen Mann regungslos an. Sie nimmt seine Hand, er entzieht sie ihr. Warum ist er so aufgebracht? Was hat ihm die Frau getan?

Sie redet nun auf ihn ein, nein, er redet auf sie ein. Seine hohe Stimme klingt anfangs wie die einer Frau, bei genauem Zuhören entpuppt sie sich allerdings als die eines Mannes. Er springt auf, will weglaufen, torkelt, stolpert und fällt auf seinen Stuhl zurück. Er gestikuliert, schreit, die alte Frau nickt.

Sie zieht das Telefon quer über den Tisch und lässt es vor sich stehen. Wieder nimmt sie seine Hand, diesmal hält sie sie fest. Lange und eindringlich spricht sie zum jungen Mann. Der nickt langsam mit dem Kopf. Entsetzt schaut er auf, direkt in ihre unbeweglichen Augen. Er nickt wieder.

Die alte Frau greift zum Telefonhörer.

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