Die Fotos in ‚Tucson, Arizona‘

Alle Fotos, sofern nicht s/w, entstanden 1997. Spätere sind entsprechend gekennzeichnet.

Foto Teil 1:

6_2 Kakteen Stein groß

Drinking Spot

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Dies ist ein Blick auf den sog. „Drinking Spot“, der allerdings nicht mehr ganz genau zu lokalisieren war. In den 33 Jahren, die seit den Morden von Chrales Schmid vergangen waren, wuchs Tucson immer weiter in die Wüste hinein.

Anhand von Zeitungsfotos aus den frühen 60-er Jahren und mithilfe von älteren Einwohnern Tucsons, habe ich den Ort der Morde wahrscheinlch ziemlich genau gefunden.
Im Hintergrund befindet sich ein Kreuz mit den Initialen: AR, das sind möglicherweise die von Alleen Rowe, Schmids erstem Mordopfer.

Den Stein im Vordergrund habe ich dort so vorgefunden…

Foto Teil 2:

3_Straße, Anfahrt

Blick auf Tucson

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Das ist ein Blick auf Tucson, vom vermuteten „Drinking Spot“ aus.

Auf der N Oracle Rd., der hügeligen Straße im Vordergrund, die weit in die Stadt hineinführt, musste auch Schmid fahren, um zum „Drinking Spot“ zu gelangen. Und wie Schmid befuhren Dutzende Teenager in den 60er Jahren diese Strasse, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Übrigens auch im Winter, denn zur Freude aller Anwesenden produzierte die Sonne da einen spektakulären Untergang: Sie fiel hinter der Wüste einfach ins Meer, so schien es.

Foto Teil 3:

Smitty sieht sich so gerne

Charles Schmid
Foto: unbekannt

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So sah sich Schmid gerne selbst: Als einen gut gekleideten Zweifler und Grübler, der den Schmerz der Welt alleine auf seinen Schultern trug. In Wahrheit war das Leid, das er so gerne zur Schau trug, nur gespielt, um Mädchen ins Bett zu kriegen. Mit dieser Masche war er extrem erfolgreich.

Das Bild ist wohl entstanden, als Schmid bereits 20 Jahre alt war.

Foto Teil 4:

Speedway Boulevard, Country Club Rd

Stadtbild Tucson

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Das Foto wurde an der Kreuzung E Speedway Boulevard und Country Club Rd aufgenommen. Im Hintergrund sind die Catalina Mountains zu erkennen, das Tor zur Wüste.

Ein Grund, warum das Cruisen mit dem Auto in den USA so populär war und ist hat mit der Tatsache zu tun, dass man mit 16 zwar den Führerschein machen, darüberhinaus aber weder wählen, noch Alkohol trinken, eine Bar oder ein Club besuchen darf. Zu einem altersgerechten Zeitvertreib bleiben einem also nur die eigenen vier Türen.

Fotos Teil 5

Tucson Inn

1_Schlafkoje vor der Tatort-Besichtigung

Motel „Tucson Inn“

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Ein Motel, das von außen aussieht, als könne es keinem Menschen etwas zu Leide tun, besteht aus Kammern, die keinem Gefängnis würdig wären.

Es ist erstaunlich, wie sehr das äußere Bild von seinem Inneren, das es wohl verstecken soll, auseinanderklafft.

Foto Teil 6

Tucson aus der Luft

Tucson aus der Luft
Foto: © NASA

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Tuscon, Arizona, eine Stadt mitten in der Wüste gelegen, in einem breiten, trockenen Tal zwischen Bergen, die bis zu 3.000 Meter hoch reichten, wurde 1775 von spanischen Conquistadores gegründet. Zunächst erlaubten sie nur indigenen Mexikanern, die zum katholischen Glauben übergetreten waren, hier zu leben. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Arizona, das damals zu Mexiko gehörte, Ziel US-amerikanischen Expansionsbestrebungen. 1848 verlor Mexiko den Krieg mit Amerika und musste gegen eine Zahlung von 15 Mio. Dollar u.a. auch Arizona an die USA abtreten. Daraufhin zogen mehr und mehr amerikanische Siedler in das unterentwickelte Gebiet und machten es sich zu eigen, auch mit Gewalt. Viele mexikanisch geprägte Stadtteile zeugen bis heute von der Entwicklungsgeschichte der Stadt.

Doch die Eingliederung in die amerikanischen Staaten, die Mexiko wirtschaftlich überlegen waren, gelang nicht gut. Noch bis zum Anfang des letzten Jahrhunderts bezeichneten Reisende die Stadt als schmuddelig und heruntergekommen. Der Stadt fehlte Orientierung. Die spanischen Gründer waren fort, die indianische, wie mexikanische Urbevölkerung fühlte sich mit den USA nicht verbunden. Es herrschte große Armut, ganze Straßenzüge verkamen.

Erst 1912, als Arizona 48. amerikanischer Bundesstaat wurde, änderte sich das Stadtbild. In den 1920er Jahren entdeckten zunächst Rentner die positive Wirkung ewiger Sonne und trockener Luft, bald folgten Asthmatiker und Arthritiskranke, für die Tucson ein Ort der Hoffnung auf Heilung wurde. Krankenhäuser und Pflegezentren wuchsen rasch zu einem wesentlichen Bestandteil der regionalen Wirtschaft heran. Für Jungendliche hingegen blieb die Stadt öde und uninteressant. Sie war ja nicht für sie gemacht. Zwar gab es schon länger eine Universität mit ein paar Kneipen drumherum, doch betreten durfte man die erst ab 21 Jahren. Liebe, Sex und Beziehungen waren im christlichen Tucson erst mit der Ehe erlaubt.

Erst die Soldaten, die nach dem 2. Weltkrieg kamen, brachten ein wenig freieres Leben hierher. Die Reichen, die ihnen nach der Erfindung der Klimaanlage folgten und am liebsten ihre Ruhe haben wollten, nahmen der Stadt wieder viel von der gerade aufkommenden Lebendigkeit. Im republikanisch regierten Arizona galt übrigens trotz heftiger Diskussionen nach wie vor die Todesstrafe – ein Umstand, der auch Charles Schmid bekannt war.

Foto Teil 7

Alleen Rowe, plus Schaedel_neu

Alleen Rowe, Alleen Rowes Schädel
Fotos: Fotograf unbekannt ———- Polizeifoto

Alleen Rowe war erst 1 1/2 Jahre in der Stadt, als sie starb. Sie war ein ernstes, strebsames Mädchen,das sich um ihre Geschwister kümmerte, wenn die Mutter Nachtschicht hatte. Die Eltern waren gerade geschieden. Sie verbrachte viel Zeit in der Wüste, beobachtete die Natur, sammelte Steine und Pflanzen. In einem Jahr, wenn sie die High School beendet hatte, wollte sie Biologin werden.

Schmid hatte sie ein- oder zweimal gesehen. Ihre Nachbarin, Mary French, war damals Schmids Freundin. Sie war es, die auf Schmids Geheiß, die junge Alleen überredete, zusammen mit einem Bandmitglied, John Saunders, eine Nacht in der Wüste zu vebringen. Mit Lockenwicklern im Haar, die sie trug, weil sie sich bereits bettfertig gemacht hatte, folgte sie der Einladung. Zögerlich.

Fotos Teil 8

Schmids little house, 428, E.Adams

1964                                                                     1988                                                                2013

Smittys kleines Haus im Wandel der Zeit
Fotos: Polizei, unbekannt, unbekannt

Am 10. November 1965 arbeitete Smitty im Vorgarten seines kleinen Hauses, als er ein Auto bemerkte, das immer wieder um seinen Block kreiste. Er dachte, es wären erneut Charles „Batts“ Battaglia und seine Männner, die ihm nachstellten. Die „Tucson-Mafia“ beobachtete ihn seit dem Verschwinden der beiden Schwestern. Er ging in sein Haus, die Männer stiegen aus ihrem Auto.

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Drei Monate zuvor hatte er die fünfzehnjährige Diane Lynch kennengelernt, die lediglich 42 Kilo wog. Smitty warf einen Blick auf sie und beschloss, sie sei genau sein Typ. Diane verliebte sich sofort in Schmid, der seinen besten Anzug zum Date trug. An ihrem ersten Abend bat Smitty Diane, ihn zu heiraten. Sie sagte: „Okay.“ Er heiratete Diane in Nogales, Mexiko, am 24. Oktober 1965. Er trug ein Pflaster auf seiner angeblich gebrochenen Nase, das falsche Muttermal, Make-Up und Lippenstift. Die nächste Zeit verbrachten er und seine Frau, das kleine Häuschen auf Vordermann zu bringen: Sie putzten und reparierten es, pflanzten Blumen und strichen die Fenster.

Schmid und Diane hatten beschlossen, sich ein Nest zu bauen. Sie wollten eine Familie gründen.

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An diesem Tag, als Smitty befürchtete, die Mafia wäre ihm wieder auf den Fersen, saß Diane im Wohnzimmer auf dem Sofa. Seine Mutter stand in der Küche, und Schmid hatte gerade noch Zeit, Diane zuzurufen, zu seiner Mutter zu gehen. Da betrat ein Polizeibeamter das Haus. Smittys Mutter stoppte ihn und verlangte einen Haftbefehl. Dann rief sie einen Anwalt.

Schmid, Hochzeit

Charles und Darlene Schmid, Hochzeit
Foto: unbekannt

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Foto Teil 9

Seite aus dem Gefaengnis

Schmids Gefängnis-Tagebuch, plus original Zeichnung

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Schmid blieb bis zu seinem Tod kreativ. Im Gefängnis schrieb er und lernte zu malen. Statt Seitenzahlen zeichnete er die „Ratte Homer“ auf die Seiten seines Tagebuchs. Schreiben und Malen half ihm, besonders auch die Langeweile im Gefängnis zu vertreiben.

Eines Tages, als er es dort nicht mehr aushielt, brach er aus. Auch weil er überzeugt war, dass einer wie er nicht hinter Gittern gehörte. Ebenso überzeugt war er davon, dass die Welt dies bald so sehen würde, wie er.

Foto Teil 10

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Richard Bruns
Foto: Polizei

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Richard Bruns ersetzte John Saunders, Schmids Komplize bei seinem ersten Mord, als Saunders der Armee beitrat und aus Tucson fortzog. Richard Bruns war ein würdiger Ersatz, einer, dem Schmid noch viel beibringen konnte.

Als Mary French, die zweite Mordkomplizin, Schmid nach einem Streit mit Gretchen Fritz die Freundschaft kündigte, rückte der treue Bruns noch näher an Schmid heran. Er wurde dessen Mädchen für alles. Nur eines war Bruns nicht: Ein Mörder, und auch kein Mordsgehilfe.

Foto Teil 11

Gretchen_2

Gretchen Fritz
Fotos: Familie

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Am Abend des 16. August, 1965, verließ Gretchen Fritz zusammen mit ihrer 13 Jahre alten Schwester Wendy ihr Elternhaus. Sie wollten in einem Autokino „Tickle Me“ mit Elvis Presley sehen. Spät in der Nacht waren die Beiden immer noch nicht zu Hause. Am nächsten Morgen engagierte Dr. Fritz einen Privatdetektiv, der noch am selben Tag Gretchens rot-weißen Pontiac Le Mans hinter dem Flamingo Hotel in der Nähe des Speedways geparkt fand.

Er entdeckte Spuren von Kies und Schlamm auf dem Boden vor den Rück- und Vordersitzen. Der Tacho zeigte sechzig zusätzliche Meilen als am Abend zuvor an, obwohl das Gerät vom Armaturenbrett getrennt worden war. Gretchens Geldbörse mit 20 $ befand sich im Wagen, ebenso wie die Ticketabschnitte aus dem Film, Gretchens Schlüssel und Schmids Visitenkarte, die ihn als Polsterer auswies, ein Geschäft, das er begonnen aber nie ernsthaft betrieben hatte. Niemand hatte beobachtet, wer das Auto geparkt hatte. Weder Privatdetektiv noch Polizei fanden weitere Spuren.

Gretchen und Wendy hatten sich den Film im Cactus Drive-In angesehen. Ein Zeuge hatte behauptet, er habe Gretchen und Schmid abends auf einer Party getroffen. Die Polizei ermittelte einen weiteren Zeugen, der zwei Tramperinnen auf dem Weg nach Mexiko gesehen hatte. Die Beschreibung passte auf die beiden vermissten Schwestern. Die Tramperinnen seien in ein Auto gestiegen, das nach Mexiko fuhr. Dort schworen mehrere Menschen, die Mädchen entdeckt zu haben, als diese gerade einen Bus in Richtung Hermosillo bestiegen. Die großangelegte Suche der amerikanischen und mexikanischen Polizei nach den beiden jungen Ausreißerinnen in den meisten mexikanischen Touristen-Städten, verlief ergebnislos. Schließlich gaben die Ermittler auf.

Richie Bruns hatte ebenfalls angenommen, dass die Ausreißergeschichte das wahrscheinlichste Szenario sei. Bis Smitty ihm die Wahrheit über den Verbleib der Fritz-Schwestern gestand – kurz bevor er ihn zwang, die Skelette der Beiden zu verbuddeln.

Gretchen, rechts

Gretchen Fritz, rechts im Bild

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Foto Teil 12

Straßenszene

Typischer Straßenzug in Tucson in den 60-er Jahren
Foto: unbekannt

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Straßen, Infrastruktur und die Architektur waren in den 60-er Jahren in Tucson, wie übrigens auch anderswo in den amerikanischen Südstaaten rückständig. Es gab keine einheitliche Bauweise, keine Struktur, keine Vison für die Stadt. So lange sie einigermaßen brauchbar war, wurden die Gebäude der Mexiakner genauso bewohnt, wie auch die übrigen aus der Kolonialzeit.

Die Bauweise der Häuser liess nur selten Rückschlüsse auf den Besitzer zu. In obigem Haus hätte damals ein Briefträger, wie Darlenes Vater mit seiner Familie genauso wie ein Arzt wohnen können. Erst als Tucson sich mehr und mehr in die Wüste ausbreitete, bekamen die Nebauten der Reichen ein Gesicht: ein mexikanisches.

Foto Teil 13

CS_Teil 13

Schmids letztes Foto in Freiheit
Foto: wahrscheinlich Polizei

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Ohne Worte.

Foto Teil 14

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Straße zum Drinking Spot

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Die aufgebrochene Straße, die der Hitze nicht standhielt, gibt einen Vorgeschmack auf das, was kommt: die Wüste. Tatsächlich, am Ende des Horizonts windet sie sich einen kleinen Anstieg hinauf und endet abrupt. Am Anfang der Wüste. Kein einladender Ort, aber ein verschwiegener, abgelegener. Und sicher keiner, den Spaziergänger oder Hundebesitzer abends noch einmal zufällig oder absichtlich ansteuerten. Ein Ort also, perfekt für Sex ’n Drugs and … Crime.

Und um dort seine Mordopfer zu verbuddeln.

Foto Teil 15

Drinking_Spot_2_Teil16

Drinking Spot

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Damals war der Drinking Spot eine große Müllhalde: leere Bierdosen stapelte sich hier, man fand Autoteile, Zeitungen, vergilbte Matratzen, die die Jugendlichen benutzten, Autositze, deren Federn herausgesprungen waren, für die Zeit „danach“. Man ahnte, was für schiere Orgien hier abgehalten wurden.

Als der 19-jährige Richie Bruns fünf Polizeibeamten am Morgen des 10. Novembers, 1965, in die Sonora-Wüste führte, ging er zielstrebig am Zentrum des Drinking Spots vorbei. Er steuerte eine kleine Anhöhe an, die in geringer Entfernung lag. Als er sie erreicht hatte, kletterte er hinauf, kniete sich oben in den Sand und begann zu graben.

Ein paar Minuten später hatte er lose Knochen und die obere Hälfte eines Schädels ausgebuddelt. Er schaute auf. Die Beamte sahen ihn fragend an. „Das ist Gretchen“, sagte er tonlos zu den entsetzten Polizisten.

Er deutete auf eine kleine Mulde: „Und das dort ist Wendy.“ Ein zweites Skelett lag unter einem Mesquitebaum. Es war halb bekleidet. Das Mädchen hatte zum Zeitpunkt ihres Todes eine hellfarbene Baumwollbluse getragen, dazu eine Nadelstreifenhose. Schuhe waren nicht zu finden.

Die hatte Wendy noch während ihres Todeskampfes in Smitty’s little house verloren.

„Das ist alles“, sagte Bruns.

In seiner Stimme lag so etwas wie Erleichterung.

Foto Teil 16

Mary French in desert_Teil 16

Nach ihrer Verhaftung und ihrer Aussage im Prozess gegen Schmid führte Mary French einige Polizeibeamten und Gerichtsmediziner zum Drinking Spot. Doch trotz 8-stündiger Suche konnte die Suchmannchschaft nichts finden, was auf die Leiche Rowes hindeutete.

Nur ein paar blonde Haare hatten sich in einem Kaktus verfangen.

Die Presse fragte daraufhin, ob Schmid, French und Saunders, trotz zweier Schuldeingeständnisse überhaupt als Täter infrage kämen – wenn es keine Leiche gibt.

Schmid gestand nie.

Foto Teil 17 – Epilog

Verhaftung_Epilog

Schmid unternahm drei Ausbruchsversuche. Der letzte hatte geklappt, er hatte sich sogar bis zum Bahnhof durchgeschlagen.

Doch ein ehemaliger Schulkamerad, ein Schaffner, erkannte ihn anhand der giftgrünen Perücke, die Schmid auch schon in der Schule getragen haben soll. Der Schulkamerad rief die Polizei, die Schmid beim Betreten eines Zuges gefangen nahm.

So endete der letzte Tag, den Charles Schmid außerhalb des Gefängnisses verbracht hatte.

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